„Nichts existiert in der Natur allein.“
Erstmals in der Evolutionsgeschichte unseres Planeten besteht durch die Neuen Gentechniken (NGT) die Möglichkeit, dass eine sehr große Zahl an Pflanzen und Tieren mit neuen Eigenschaften die Ökosysteme zeitgleich invasiv fluten kann. Mögliche Wechselwirkungen und unbeabsichtigte Effekte zwischen NGT-Pflanzen, Bestäubern und anderen Organismen müssen daher vor Freisetzungen individuell und nach wissenschaftlichen Kriterien geprüft werden.
Mit Hilfe der Neuen Gentechniken kann der Mensch tiefer und umfassender in das Erbgut eingreifen als je zuvor. Durch Verfahren wie die Genschere „CRISPR/Cas“ können einzelne Basenpaare – die „Buchstaben“ der DNA – dem Genom gezielt hinzugefügt oder aus diesem entfernt werden. Gene können so stillgelegt, verändert oder in ihrer Wirkung verstärkt werden. Mehr noch: Gezielte NGT-Eingriffe in das Genom einzelner Arten können sich in schwer vorhersehbarer Weise auch auf das System der Selbstregulation und auf die komplexen Interaktionsmuster der Natur auswirken und diese unbeabsichtigt stören.
Beispielsweise reichen drei Punktmutationen mit der Genschere aus, um Taufliegen resistent gegen das Gift der Seidenpflanzen (Asclepias) zu machen. Die Gen-Fliegen werden damit allerdings auch für ihre Fressfeinde giftig. Eine Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen kann also gravierende Folgen für Nahrungsnetze und Ökosysteme haben, mit denen sie wechselwirken. Denn: „Nichts existiert in der Natur allein.“ Das erkannte die Begründerin der Umweltbewegung, die berühmte Zoologin, Biologin und Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson bereits 1962. Carsons Erkenntnis ist wichtiger denn je in Zeiten, in denen das Ökosystem durch „Genome Editing“ irreversibel verändert werden kann.
Bereits der Begriff „Genome Editing“, der als Analogie zur Textverarbeitung eingeführt wurde, vermittelt ein simplifizierendes Verständnis biologischer Prozesse. Er suggeriert, komplexe, dynamische ÖkosystemProzesse seien steuer- und berechenbar wie eine Maschine. Dabei werden selbstverstärkende Prozesse, kritische Schwellenwerte (sog. Kipppunkte) und unkalkulierbare Wechselwirkungen gentechnischer Eingriffe in das Ökosystem ausgeblendet. Zudem ist die menschliche Erkenntnisfähigkeit über die komplexen Prozesse der natürlichen Evolution zwar auf hohem Niveau, aber dennoch limitiert.
Evolution 2.0 ohne Risikoprüfung?
Selbst „kleine“ Eingriffe in das Pflanzen-Genom, etwa zur Änderung des Fettsäuremusters bei Ölpflanzen wie Raps und Leindotter, können die Gesundheit von Bienen und anderen Bestäubern gefährden. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU), die rund 50 wissenschaftliche Arbeiten zu NGT-Pflanzen untersucht hat. Der renommierte Neurobiologe, Bienenforscher und wissenschaftliche Beirat der Aurelia Stiftung, Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel (FU Berlin), hält solche nicht überprüften NGT-Anwendungen für unverantwortlich.
Auch die staatliche französische Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umwelt und Arbeitsschutz (ANSES) hat Anfang 2024 eine wissenschaftliche Stellungnahme zu mittels Neuer Gentechnik erzeugten Pflanzen veröffentlicht. Für diese möchte die EU-Kommission die bestehende Risikoprüfung abschaffen. Laut ANSES können bei NGT-Pflanzen der sogenannten „Kategorie 1“ durch die Veränderung biologischer Funktionen Gesundheits- und Umweltrisiken entstehen. In diese Kategorie fallen laut EU-Kommission alle gentechnisch veränderten Pflanzen, die „mit natürlich vorkommenden oder konventionell gezüchteten Pflanzen vergleichbar“ sein sollen. Kriterium für die von der EU-Kommission angenommene Vergleichbarkeit ist (neben dem Fehlen von artfremdem Erbgut), dass zwar beliebig viele Gene an- oder abgeschaltet werden dürfen, jedoch „nur“ an bis zu 20 Zielregionen. Wobei die Zahl 20 willkürlich ohne konkreten Bezug zum Auftreten von Risiken gewählt wurde. In Kategorie 1 fallen über 90 Prozent aller NGT-Pflanzen. Trotz der von ANSES festgestellten Risiken für Gesundheit und Umwelt sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig Zulassungsverfahren, Risikoprüfung und Kennzeichnungspflichten für alle NGT-1 Pflanzen entfallen.
Sollte die EU-Kommission von den Mitgliedstaaten und vom EU-Parlament tatsächlich grünes Licht für ungeprüfte NGT-Pflanzen bekommen, bei denen beispielsweise der Pollen nicht mehr als qualitativ hochwertige Nahrungsgrundlage für Bestäuber taugt, wäre das fatal. Genau dieser Fall wurde Ende 2023 von der Fachstelle Gentechnik und Umwelt am Beispiel von gentechnisch veränderten Agrosprit-Pflanzen anhand einer Übersichtsstudie dokumentiert. Dabei werden schon heute die meisten Kulturpflanzen nur noch unzureichend durch wildlebende Bienen, Hummeln, Käfer und Schmetterlinge bestäubt. Das verknappt die Produktion gesunder Lebensmittel, verteuert und gefährdet letztlich unsere Ernährungssicherheit.
Auch die weltweit drittgrößte wissenschaftliche Gesellschaft auf dem Fachgebiet der Ökologie empfiehlt „nachdrücklich eine angemessene Risikobewertung aller NGTs nach dem Vorsorgeprinzip“. Denn auch ohne den Einbau von artfremdem Erbgut könnte die Gentechnik-Deregulierung aller Pflanzenarten weltweit „eine ernsthafte Bedrohung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Nachhaltigkeit darstellen“, so die GfÖ.
Dabei spielt es keine Rolle, ob NGT-Pflanzen mit neuen Eigenschaften theoretisch auch mittels klassischer Züchtung entstanden sein könnten. Denn mit der Genschere könnten sehr viele NGT-Pflanzen zeitgleich mit neuen, auf die Bedürfnisse der Industrie zugeschnittenen Eigenschaften die Ökosysteme fluten, die sich mit klassischer Züchtung bislang nicht erreichen ließen. Mit einer wachsenden Zahl von immer stärker veränderten „Industrie-Kreationen“ mit immer neuen Eigenschaften steigt auch die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) etwa gibt zu bedenken, dass eine „trockenresistente“ NGT-Feldfrucht , wenn sie plötzlich Habitate besiedeln könnte, in denen sie vorher nicht überleben konnte. Nach Ansicht des BfN trifft daher die Aussage nicht zu, NGT-Pflanzen würden weniger Risiken bergen als transgene Pflanzen.
Gibt es keine Unterschiede zwischen „genom-editierten“ und natürlichen Pflanzen?
Agrogentechnik-Lobbyisten werden nicht müde zu behaupten, es gebe keine Unterschiede zwischen NGT-Pflanzen und herkömmlich gezüchteten Pflanzen. Deshalb argumentieren auch die Forschungsorganisationen Leopoldina und DFG, es gebe keinen „wissenschaftlich begründeten Besorgnisanlass“ in Bezug auf die Anwendung des Vorsorgeprinzips sowie Zulassungs- und Kennzeichnungsvorgaben. Das mag für manche NGT-Pflanzen tatsächlich zutreffen. Doch die Genschere ist ein Werkzeug, dessen Einsatz gravierende Auswirkungen haben kann, da es das gesamte Genom für Veränderungen zugänglich macht. CRISPR/Cas ermöglicht tiefgreifende Veränderungen, die mit klassischer Züchtung bislang nicht möglich waren – auch ohne das Einfügen artfremder Gene. Solche Veränderungen, deren Folgen sich nicht immer vorhersagen lassen, müssen eine strenge Risikoprüfung durchlaufen.
Ein Beispiel: Anders als konventionelle Züchtung ist „Genome Editing“ in der Lage, mehrere Kopien eines Gens gleichzeitig zu verändern („Multiplexing“). Bei der herkömmlichen Züchtung bleiben in der Regel noch „Sicherheitskopien“ ausgeschalteter Gene aktiv. Bei einer Nutzpflanze, bei der mehrere oder alle Kopien desselben Gens ausgeschaltet sind, kann man daher mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass „Genome Editing“ eingesetzt wurde. Zudem kann die Genschere – anders als herkömmliche Züchtung – gezielt in Bereiche eingreifen, in denen Pflanzen ihre wichtigsten Gene natürlicherweise vor Mutationen schützen. Wo genau geschützte Bereiche in verschiedenen Pflanzen liegen, wird Gegenstand weiterer Forschung sein müssen.
Aus den genannten Faktoren ergibt sich bei NGT-Pflanzen ein anderes Risikoprofil als bei Pflanzen aus konventioneller Zucht. Dazu gehören das CRISPR-spezifische „Multiplexing“, mit dem sich auf einen Schlag alle identischen „Sicherheitskopien“ einer DNA-Sequenz verändern lassen, sowie auch das sogenannte „Stacking“, bei dem neue Eigenschaften unterschiedlicher NGT-Pflanzen kombiniert werden, etwa durch Kreuzung oder durch sukzessives Verändern des Erbguts in beliebig vielen aufeinander folgenden Schritten. „Stacking“ und „Multiplexing“ erhöhen dabei wiederum die Gefahr von Störungen des Ökosystems durch die Kombinationseffekte einer großen Zahl unterschiedlicher NGT-Pflanzen mit neuen, industrieoptimierten Eigenschaften („Law of large numbers“).
Hinzu kommen unbeabsichtigte sogenannte „Off-Target-Effekte“, bei denen CRISPR/Cas die DNA in Nichtzielregionen durchtrennt und der Reparaturmechanismus der Zelle Fehler einbaut. Ebenso kommt es zu weiteren gentechnikspezifischen Fehlerquellen wie „Chromothripsis“, bei der es zum ungewollten Auslösen chaotischer Zustände im Erbgut durch Umgruppierungen von Chromosomen-Abschnitten kommt.
Es bleibt festzuhalten: Während es mit der Genschere möglich ist, gezielt Stellen im Erbgut anzusteuern, ist es bislang nicht möglich, die Folgen dieses Eingriffs für das Erbgut sowie für Pflanzen und Umwelt mit ausreichender Gewissheit vorherzusagen oder zu kontrollieren. Genscheren sind neuartige Werkzeuge mit nie dagewesenen künstlichen Evolutionswirkungen.
Klar ist: Ohne Risikoprüfung kann es keinen verantwortungsvollen Umgang mit Neuer Gentechnik in der Landwirtschaft geben. Ihr Potenzial, die komplexen Vorgänge der Evolution aus kurzsichtigem Gewinnstreben des Menschen unkalkulierbar zu stören, muss unbedingt berücksichtigt werden.
Noch haben Sie die Wahl!
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Vage Versprechen für alles: Was bringen NGT-Pflanzen?
Welthunger, Biodiversität, Pestizidreduktion, Klimaanpassung: Seit über 40 Jahren verkauft uns die Agrarindustrie Gentechnik als „Antwort für alles“. Nun dient die „neue“ Gentechnik als neue Projektionsfläche für altbekannte Zukunftstechnologie-Versprechen.
Die wenigen NGT-Pflanzen, die in Ländern mit einer deregulierten Gentechnik-Gesetzgebung bislang auf den Markt gekommen sind, haben allerdings die versprochenen Ziele nicht erreicht oder nennenswerte Ertragssteigerungen gebracht. Aktuell befinden sich keine mit NGT erzeugten stresstoleranten Pflanzen auf dem Markt oder sind marktreif. Insgesamt sind weltweit nur etwa fünf Pflanzensorten im Anbau, die mit Hilfe der neuen gentechnischen Verfahren entwickelt wurden: eine angeblich blutdrucksenkende Tomate, ein Salat mit verringerter Bräunung an verletzten Blättern, ein Senf mit reduziertem Bitterstoffgehalt, ein Mais mit veränderter Stärke sowie ein transgener, herbizidresistenter und Insektengift produzierender Mais. Weitere NGT-Pflanzen stehen nach Angaben der entwickelnden Unternehmen kurz vor der Markteinführung (Schweizerisches Bundesamt für Umwelt (BAFU), Stand 2024).
Widerstandsfähige Sorten werden weiterhin fast ausnahmslos auf klassischem Weg gezüchtet. Denn Eigenschaften wie Trockenheitstoleranz beruhen auf einem komplexen Zusammenspiel von verschiedenen Steuerungsmechanismen, vielen Genen und Rückkopplungsmechanismen mit der Umwelt, das Forschende bislang nur unzureichend verstehen. Es reicht daher nicht, einzelne Genabschnitte in Pflanzen technisch zu verändern. Die komplexen landwirtschaftlichen Herausforderungen der Klimakrise lassen sich nur durch eine systemische Veränderung der Landwirtschaft lösen. Damit könnten wir bereits heute beginnen. Wir können es uns nicht länger leisten, uns auf „Zukunftstechnologien“ von Großkonzernen und auf „magisches Saatgut“ (Bill Gates) vertrösten zu lassen.
Ein Beispiel: Bayer züchtet kurzhalmigen Mais, der Stürmen besser widerstehen soll. „Eines unserer spannendsten Konzepte“, so Bayer. Doch der Kurzhalm-Mais aus herkömmlicher Züchtung ist 2024 mit „Phase 3“ bereits weiter fortgeschritten als Bayers NGT-Mais, der noch in der „Entdeckungsphase“ ist, wie man auf der Website des Konzerns erfährt.
Der ganze Züchtungsansatz von Bayer, egal ob konventionell oder gentechnisch, geht am Kernproblem unserer Landwirtschaft vorbei, weil er das Ökosystem der Agrarflächen eben nicht systemisch begreift. Statt große, monotone und biodiversitätsfeindliche Agrarflächen mit Kurzhalm-Mais zu bestücken, wäre es besser, sie mit Hecken oder Agroforst-Streifen vor Ernteverlusten zu schützen. Auf einen Schlag hätte man nicht nur etwas gegen Windschäden getan, sondern auch etwas gegen Bodenerosion, für den Wasserhaushalt und ebenso für den Artenschutz. Und: „Wieso überhaupt Mais, die ultimative globale Pflanze, deren Anbau zu zwei Dritteln als Futtermittel für den Fleisch-Überkonsum und als Rohstoff für Biosprit genutzt wird?“
Statt vollmundiger Versprechen der Agrogentechnikindustrie bräuchten wir eine mutige Gesamtstrategie für eine umweltverträgliche Landwirtschaft. Resilienz durch Vielfalt muss das Ziel sein – auch im Sinne der Bestäuber. Die Lösungen existieren, das Wissen ist vorhanden. Es fehlt der Wille zur praktischen Umsetzung, sei es in der Agrarpolitik oder auf den Äckern.
De facto dienen die Heilsversprechen der Agrogentechniklobby als Ausrede, um eine grundlegende systemische Agrarreform nicht in Angriff nehmen zu müssen und bestehende Machtstrukturen und Gewinninteressen zu sichern. Wenn wir der Biodiversitätskrise ernsthaft etwas entgegensetzen wollen, reichen keine „Technofixes“. Wir müssen bereit sein, unsere (!) Land-Wirtschaft nach den Regeln der Natur auszurichten – und nicht nach denen der Börse und des Profits.
Gentechnik-Patente: Wem gehört die Natur?
Mit Hilfe von Patenten auf NGT-Pflanzen lassen sich auch natürlich vorkommende Pflanzeneigenschaften und zufällig entstandene Genvarianten (Zufallsmutagenese) patentieren. So beanspruchen bereits heute Agrarkonzerne wie Syngenta unter dem Vorwand eines gentechnischen Eingriffs Patente auf tausende winzige Punktmutationen, die auch in den natürlichen Varianten einer Art vorkommen. Zuweilen wird auch traditionelle Züchtung als neue Gentechnik „verkauft“, damit Pflanzen patentiert werden können. Die Technologie dient dann nur als „technische Dekoration“, um Patente auf zufälligerweise vorkommende Genvarianten durchzusetzen. Auf diese Weise werden immer mehr pflanzengenetische Ressourcen in Privateigentum überführt: Der Ausverkauf der Natur an die großen Agrarkonzerne hat begonnen – nicht zuletzt zum Schaden der Bestäuber, die durch die Einengung der Sortenvielfalt in der Landwirtschaft leiden.
Patente auf die Nutzung natürlicher Gene sind eines der größten Risiken für die globale Nahrungssicherheit. Denn durch Lizenzverträge können die Konzerne Züchter:innen sowie Bauern und Bäuerinnen abhängig machen oder im Extremfall daran hindern, konventionell gezüchtete Pflanzen zur Produktion neuer Sorten zu nutzen. Wird diese Entwicklung nicht gestoppt, werden Patentstreitigkeiten und Rechtsunsicherheiten die Pflanzenzüchtung und -vielfalt blockieren. Das betrifft insbesondere kleinere und mittelständische Züchter:innen. Denn wenn die Pflanzen als nicht unterscheidbar gleichbehandelt werden, wer weiß denn dann noch, ob Gentechnik-Lizenzen verletzt wurden? Daher spricht sich auch der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) gegen die Patentierbarkeit von Gensequenzen aus, die in der Natur vorkommen.
Der EU-Kommission ist das Problem der Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen bewusst. Sie bietet aber mit ihrem Gentechnik-Deregulierungsvorschlag keine Lösung dafür an. Sie verfährt nach dem Motto: Erst mal deregulieren, das Patentproblem können ja später andere lösen. Damit soll die Hoffnung genährt werden, dass, wenn NGT-Pflanzen der Kategorie 1 akzeptiert würden, auch die Patente auf diese Pflanzen verboten werden könnten. Doch die EU kann Patente auf NGT-Pflanzen nicht verbieten – erstens, weil zu deren Herstellung gezielte technische Verfahren zum Einsatz kommen, die grundsätzlich patentierbar sind, und zweitens, weil sie schlichtweg nicht zuständig ist für Patente. Egal ob es um NGT-Pflanzen oder um konventionell gezüchtete Pflanzen geht.
Um Gentechnikpflanzen „unpatentierbar“ zu machen, müsste das Europäische Patentübereinkommen geändert werden. Den Änderungen müsste eine diplomatische Konferenz aller 39 Vertragsstaaten zustimmen, darunter auch 12 Nicht-EU-Staaten. Das ist auf absehbare Zeit nicht realistisch.
Dabei wäre eine Verschärfung des Patentrechts für NGT-Pflanzen UND für konventionell gezüchtete Pflanzen durchaus sinnvoll. Denn obwohl die Patentierung von Pflanzensorten nach europäischen Gesetzen eigentlich verboten ist, wurden auch auf konventionell gezüchtete Pflanzensorten bereits über 1.000 Patente erteilt.
Es gilt also auch in Zukunft: Wer Gentechnik anbaut, wird Patente ernten. Und wer Patente auf Leben duldet, betreibt den Ausverkauf der Natur und ermöglicht eine von Gewinninteressen getriebene und nach heutigem Wissensstand nicht kalkulierbare NGT-Turbo-Evolution 2.0. Die untrennbar damit verbundenen Patente auf Leben in den Händen einiger weniger mächtiger Agrarkonzerne würden die Züchtung lokal angepasster, klimaresistenter Pflanzen gefährden und damit die ökologische Vielfalt und die Ernährungssicherheit der Menschheit.
Nicht „gegen Gentechnik“: Für Transparenz und Vorsorge!
Es geht der Aurelia Stiftung nicht um abstrakt-fundamentalistische „für oder gegen Gentechnik“-Debatten mit wolkigen Zukunftsversprechungen, wie sie die Agrarindustrielobby liebt. Es geht uns konkret um die Beibehaltung einer verpflichtenden, wissenschaftsbasierten Technikfolgen-Abschätzung für alle NGT-Pflanzen. Wir fordern die Anwendung des Vorsorgeprinzips zum Schutz der Biodiversität und einen respektvollen Umgang mit der Natur, die wir nicht als „Dienstleisterin“ des Menschen oder als Profitquelle für Agrarkonzerne verstehen, sondern als einen Wert an sich anerkennen.
Nicht zuletzt geht es uns auch um den Respekt vor dem Willen der Bürger:innen. Einer repräsentativen Forsa-Umfrage (foodwatch e. V.) vom September 2023 zufolge wollen 96 Prozent der Befragten, dass NGT-Pflanzen immer einer Risikoprüfung unterzogen werden. 92 Prozent der Verbraucher:innen erwarten, dass NGT-Lebensmittel gekennzeichnet sind.
Ungeprüfte Pflanzen mit neuen Eigenschaften ohne jede Kennzeichnung freizusetzen, wäre eine klare Missachtung der UN-Leitlinien zum Verbraucherschutz. Und es wäre eine Entscheidung mit irreversiblen Folgen für das Ökosystem, die über Generationen hinweg wirken würde. Solche Risiken dürfen wir – auch im Interesse künftiger Generationen – nicht eingehen.