Bei dem Wort „Biene“ denken die meisten Menschen an die Honigbiene (lat. Apis mellifera). Sie wird bereits seit tausenden Jahren als Nutztier gehalten. Viele wissen nicht, dass es neben der Honigbiene noch einen ganzen Kosmos an Wildbienen gibt und das Wort „Biene“ repräsentativ für all diese Arten steht. Allein in Deutschland leben mindestens 565 unterscheidbare Wildbienenarten. Weltweit soll es Schätzungen nach sogar über 20.000 verschiedene Arten geben. Gemeinsam bilden die Bienen die wichtigste Bestäubergruppe in der Natur.
Die wilden Schwestern der Honigbiene
Mit der Welt der Wildbienen wird ein verborgenes, aber umso faszinierenderes Ökosystem sichtbar, das von Vielfalt nur so strotzt. Während manche Gattungen wie die Löcherbienen (Heriades) winzig klein und unscheinbar sind, erreichen Holzbienen (Xylocopa) Köpergrößen von fast drei Zentimetern oder fallen wie Hummeln (Bombus) durch eine besonders prächtige Körperfärbung auf. Auch in der Lebensweise der Wildbienen gibt es große Unterschiede: Die im Boden brütenden Sandbienen graben ihre Nistgänge namensgetreu in sandigen Böden. Die kleinen Eingangslöcher der Nester von Furchenbienen können denen der Ameisen ähneln und sind am Wegrand oder zwischen den Fugen von Pflastersteinen leicht erkennbar. Die Mauerbienen hingegen legen ihre Nester in Mauerfugen oder Totholz an. Manchmal nisten sie auch wie manche Blattschneiderbienen in hohlen oder markhaltigen Pflanzenstengeln. Sogar Schneckenhäuser können von Wildbienen als Nistplatz genutzt werden.
Spezialisten und Lebenskünstler
Während die Honigbiene ein Generalist bei der Nahrungssuche ist und fast jede Blüte anfliegt, sind unter den Wildbienen auch viele Spezialisten zu finden, die auf das Vorkommen einiger weniger Pflanzenarten angewiesen sind. Die Ausprägung dieser Abhängigkeit kann sogar so extrem wie bei der Natterkopf-Mauerbiene (Osmia adunca) sein. Die Weibchen ernähren sich ausschließlich vom Nektar und Pollen vom Gemeinen Natterkopf (Echium vulgare). Verschwände die Pflanze, würde auch die Biene nicht mehr auftauchen.
In manchen Fällen gehen Wildbienen und Pflanzen faszinierende Lebensgemeinschaften ein. Manche Langhornbienen (Eucera) bestäuben beispielsweise die Blüten von Ragwurzen (Orchideen). Die Pflanzen imitieren mit ihren Blüten das Aussehen und den Geruch von Bienenweibchen. Dem dadurch angelockten Eucera-Männchen wird beim Versuch der Kopulation ein Pollenpaket angeheftet mit dem es zur nächsten Blüte fliegt. Auf diese Weise bestäubt etwa die Mai-Langhornbiene (Eucera longicornis) die Hummel-Ragwurz (Ophrys holoserica).
Ohne Bienen keine Äpfel
Honigbienen sammeln sowohl Blütenpollen als auch Blütennektar und versorgen damit sich selbst und ihre Brut. Um den Pollen transportieren zu können, verfügen sie über besondere Sammelapparate. Häufig sind das feine Härchen an den Hinterbeinen oder am Unterleib, an denen sie den Pollen anheften. So transportieren sie den Pollen von Blüte zu Blüte. Und genau dieser Vorgang führt zu einer flächendeckenden Bestäubung der Landschaft. Bienen wird deshalb zurecht eine Schlüsselrolle im Naturhaushalt zugeschrieben.
Da Honigbienen bei der Nahrungssuche nicht wählerisch sind und fast jede Blüte anfliegen, decken sie auch mit Abstand den größten Teil der weltweiten Bestäubung ab. Sie können diese Leistung aber längst nicht für alle Pflanzenarten erbringen. Für manche Blüten sind sie schlichtweg zu groß oder ihr Rüssel nicht lang genug. Hier zeigt sich der unschätzbare Wert der Wildbienen und anderer Bestäuber. Sie bestäuben bestimmte Pflanzen oftmals viel effizienter und sichern so die Artenvielfalt. Das liegt auch daran, dass es unter den Wildbienen sehr viele Spezialisten gibt, die nur bestimmte Pflanzenarten anfliegen. Besonders extrem ist diese Abhängigkeit bei der Natterkopf-Mauerbiene (Osmia adunca) zu beobachten. Die Weibchen ernähren sich ausschließlich vom Nektar und Pollen des Gemeinen Natterkopf (Echium vulgare). Verschwände diese Pflanze, würde auch die Natterkopf-Mauerbiene vom Aussterben bedroht sein. Bienenvielfalt ist also ein Indikator für gesunde Ökosysteme.