Die Aurelia Stiftung hat in den Jahren 2021 und 2022 Rapshonige anonymisiert auf sieben Neonicotinoide untersuchen lassen. Ziel der Folgeuntersuchung war es, genau hinzuschauen, ob und wie sich die Situation von Neonicotinoiden im Rapshonig verändert hat. Neonicotinoide werden nach wie vor im Rapsanbau gespritzt und können zu Gesundheitsschäden bei Bienen sowie Rückstandsbelastungen im Honig führen. Mit den Untersuchungen wirft die Stiftung einen kritischen Blick darauf, ob die geltenden Anwendungsbeschränkungen und -verbote auch eingehalten werden und ausreichen, eine Belastung des Honigs und der Bienen zu verhindern.
Wie bei unseren Untersuchungen im Jahr 2021 wurde auch bei den Untersuchungen im Jahr 2022 Acetamiprid und das bereits verbotene Thiacloprid im Honig gefunden. Mit den Ergebnissen haben wir uns unter anderem an das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gewandt und die Behörde mit kritischen Nachfragen konfrontiert. Unser Ziel ist die vollständige, differenzierte und öffentlich zugängliche Dokumentation von Neonicotinoid-Rückständen sowie ein Anwendungsverbot von Pestiziden in blühenden Pflanzenbeständen. Die Neonicotinoide müssen von den Äckern verschwinden, denn sie sind eine Gefahr für Honigernten, Bienen und andere Bestäuber.
Wir danken den über 150 Imker*innen, die das Projekt durch die Einsendung von Honigproben unterstützt haben! Die anonymisierten Proben wurden von dem akkreditierten Labor „Food QS“ untersucht.
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Bitte unterstützen Sie die Aurelia Stiftung bei diesem wichtigen Projekt! Die notwendigen Laboranalysen des Honigs sind mit hohen Kosten für die Stiftung verbunden, die bisher nur teilweise durch Spenden der teilnehmenden Imker*innen finanziert sind. Hinzu kommen Projektkosten in Form von Arbeitszeit für Recherche, Aufbereitung der Ergebnisse und Öffentlichkeitsarbeit. Um diese Kosten zu decken, freuen wir uns über weitere Spenden!
Gefährlich für Bienen, belastend für den Honig
Acetamiprid ist ein Insektizid aus der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide, die aufgrund ihrer besonderen Bienenschädlichkeit hochumstritten und bereits teilweise verboten sind. Laut dem BVL sind in Deutschland derzeit zehn Mittel mit dem Wirkstoff Acetamiprid zugelassen. Im Rapsanbau wird Acetamiprid als Wirkstoff in den Spritzmitteln Mospilan SG und Danjiri zur Bekämpfung des Rapsglanzkäfers angewendet.
Insbesondere dort, wo Pestizide direkt in die Blüte gespritzt werden, ist die Gefahr einer Schädigung der Bienen und einer Verunreinigung von Honig und anderen Imkereiprodukten besonders hoch. Eine schwerwiegende subletale Wirkung durch Schädigung des Orientierungs- und Navigationsvermögens der Honigbienen durch Acetamiprid wurde wissenschaftlich dokumentiert. Während das Kompensationsvermögen von Honigbienenvölkern recht hoch ist und diese mitunter „nur“ geschädigt werden, sterben solitär lebende Wildbienen oftmals sofort daran. Dies findet bisher keine ausreichende Berücksichtigung im Pestizidzulassungsverfahren.
Wenn der Pestizidrückstandsgehalt im Honig bei einer Untersuchung über dem lebensmittelrechtlichen Grenzwert (MRL) liegt, muss der Honig aus dem Verkehr gezogen werden. Die Imkereien müssen die Untersuchungskosten selbst tragen, bleiben auf dem fremdverursachten Schaden sitzen und müssen ihren verunreinigten Honig auf eigene Kosten entsorgen. So kommt es, dass Rückstände im Honig selten aufgedeckt werden und das Pestizidproblem nicht ausreichend thematisiert wird.
Deutschlandweit wurde Raps für die Ernte im Jahr 2022 auf 1,1 Millionen Hektar angebaut. Winterraps ist in Deutschland die wichtigste angebaute Ölsaat. Die Bestäubung durch Bienen steigert den Ertrag im Rapsanbau um bis zu 30 Prozent. Somit ist der Schutz von Bestäubern im ureigenen Interesse der Rapsanbauer*innen und auf lange Sicht ertragsfördernd. Der Raps wiederum ist eine frühe und beliebte Massentracht für Honigbienen. Rapshonig ist zugleich eine wichtige Einkommensquelle für Imkereien. In den klassischen Rapsanbauregionen ist es Imker*innen kaum möglich, dem Raps auszuweichen.
Spritzungen nur noch vor dem Öffnen der Blüte erlaubt
Acetamiprid wird zwar vom Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) als „B4 = Bienenungefährlich“ eingestuft. Gleichzeitig ist der Wirkstoff aber auch als „schädigend für bestäubende Insekten“ gekennzeichnet. Mit dieser widersprüchlichen Einstufung wird lediglich eine unverbindliche Empfehlung ausgesprochen, die Mittel vorzugsweise in den Abendstunden auszubringen. Es ist daher davon auszugehen, dass acetamipridhaltige Mittel weiterhin direkt und tagsüber während des Bienenflugs in die Rapsblüte gespritzt wurden.
Nach mehreren offenen Briefen der Aurelia Stiftung und des Deutschen Berufs und Erwerbs Imker Bundes (DBIB) an das BVL und an die EU-Kommissarin Stella Kyriakides gab das BVL im März 2021 bekannt, dass die acetamipridhaltigen Mittel Mospilan SG und Danjiri ab sofort im Winterraps nur noch vor dem Öffnen der Rapsblüte gespritzt werden dürfen. Die Anwendungsbeschränkung in der Rapsblüte soll über Landespflanzenschutzdienste und Fachverbände an die rapsanbauenden Betriebe kommuniziert und zudem konsequent kontrolliert werden. Ob dies ausreichend geschehen ist, ist bislang nicht bekannt. Mithilfe der Honiguntersuchungen wirft Aurelia einen kritischen Blick auf die bisherige Umsetzung der Anwendungsauflage. Mithilfe eines akkreditierten Labors wurden Rapshonigproben aus allen relevanten deutschen Rapsanbaugebieten auf sieben Neonicotinoide untersucht.
Die Ergebnisse von 2021 im Überblick
- In insgesamt 16 der 152 untersuchten Proben wurden Neonicotinoide nachgewiesen, sprich 10.5% der Honige sind mit Neonicotinoiden belastet (bei einer Nachweisgrenze von 5µg/kg). Gefunden wurden die zwei Wirkstoffe Acetamiprid und Thiacloprid. Beide verursachen bei Bienen und andere Insekten bereits in sehr geringen Dosen schwere Gesundheitsschäden.
- Vier Proben, demnach 2,6% der Proben, überschreiten den MRL-Grenzwert, also die rechtlich zulässige Höchstmenge an Pestizidrückständen. Davon überschreiten drei Proben den Grenzwert von Acetamiprid (50µg/kg).
- In zehn Proben, also etwa in jedem fünfzehnten Honig, wurde das EU-weit verbotene Neonicotinoid Thiacloprid gefunden. Das entspricht 6,6% der Proben. Eine Probe überschreitet dabei den MRL-Grenzwert, der bei Thiacloprid bei 200µg/kg liegt.
Im Vergleich zu ähnlichen Untersuchungen der Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim aus dem Jahr 2019 deuten unsere Analysen insgesamt auf eine Verbesserung der Belastung des Rapshonigs durch Neonicotinoide hin. Eine gute Nachricht, auf der wir uns jedoch nicht ausruhen können. Noch immer kommen Neonicotinoide zum Einsatz und gefährden Bienen und Honigernten. Als besonders problematisch ist der Nachweis von Thiacloprid einzustufen. Dieser Neonicotinoid-Wirkstoff wurde im August 2020 aus humantoxikologischen Gründen EU-weit verboten. Eine Spritzung in der Rapsanbausaison 2021 war nicht mehr zulässig. Unsere Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass Rapsanbauer*innen dennoch Restbestände an Thiacloprid enthaltenden Spritzmitteln ausgebracht haben. Offensichtlich wurde das Verbot mangelhaft umgesetzt bzw. der Vollzug von den zuständigen Pflanzenschutzbehörden nicht ausreichend überwacht.
Die Ergebnisse von 2022 im Überblick
- In 15 der 153 Proben (9,8%) wurden Neonicotinoide nachgewiesen (bei einer Nachweisgrenze von 5µg/kg). Gefunden wurden die Wirkstoffe Acetamiprid und Thiacloprid.
- In diesem Jahr wurden keine Grenzwertüberschreitungen gemessen.
- Allerdings wurde nach wie vor in 7 Honigen das EU-weit verbotene Thiacloprid gefunden.
Der Anteil der Rückstände ist bei den Untersuchungen 2022 ähnlich hoch wie im Jahr 2021. Erfreulich ist, dass alle untersuchten Honige verkehrsfähig sind, das heißt keiner hat den lebensmittelrechtlichen Grenzwert überschritten. Sorge bereitet uns, dass offenbar auch in dieser Anbausaison wieder das seit 2020 EU-weit verbotene Neonicotinoid Thiacloprid gespritzt worden ist. Der Wirkstoff ist nicht nur für Bienen und Bestäuber, sondern auch für Menschen nachweislich gesundheitsgefährdend und wurde deshalb von den EU-Behörden zurecht vom Markt genommen. Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass es weiterhin dringenden Handlungsbedarf auf Seiten der zuständigen Pflanzenschutzbehörden gibt, die Anwendungsbeschränkungen zu überwachen und umzusetzen.
Methodik und Diskussion der Ergebnisse
Die Methodik und Ergebnisse werden in den nachfolgenden Projektberichten ausführlich beschrieben.
Hinweise zur Bewertung der Ergebnisse
Wie stark die Bienen beim Besuch von Raps den Neonicotinoiden ausgesetzt waren, lässt sich aus den Honiguntersuchungen nicht direkt ableiten. Neonicotinoide sind Nervengifte, die die Flug-, Orientierungs- und Navigationsfähigkeit von Insekten beeinträchtigen. Stark belastete Bienen sterben unter Umständen sofort oder finden den Weg nicht mehr zurück in ihren Stock. Sie können somit auch keinen belasteten Nektar eintragen. Rückschlüsse auf die Bienengesundheit lassen sich aus unserer Untersuchung ebenfalls nicht ableiten, da es stark variiert, welche Mengen an Neonicotinoiden eine einzelne Biene aufnimmt. Zudem spielen die Weitergabe von Futtersaft zwischen Bienen sowie enzymatische Entgiftungsvorgänge eine Rolle für die Unsicherheit bei der Bewertung.
Für die Sammlung der nötigen Stichproben nutzt die Aurelia Stiftung ihr bundesweites Netzwerk. Über den stiftungseigenen Newsletter und andere Verteiler wurde ein Aufruf an engagierte Imker*innen gestartet, sich freiwillig und anonym an den Untersuchungen zu beteiligen. Bei den bisher durchgeführten Untersuchungen kamen auf diese Weise jeweils rund 150 Proben quer aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei diesem Projekt nicht um eine wissenschaftlich modellierte Teststudie handelt, sondern lediglich um Stichproben-Untersuchungen. Indem wir die Ergebnisse veröffentlichen und zur Diskussion stellen, tragen wir hoffentlich proaktiv zu einer Verbesserung der allgemein schwachen Datenlage zur Neonicotinoid-Belastung im Frühjahrsblütenhonig bei und schaffen mehr Sensibilität für das Thema bei den zuständigen Behörden, den Anwender*innen von Pestiziden sowie bei Imker*innen und Verbraucher*innen.
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