Erst vor wenigen Wochen haben nahezu alle Staaten der Erde in Montreal einen Vertrag zum Schutz der Natur beschlossen. Unter anderem wollen sie den Einsatz von Pestiziden weltweit bis zum Jahr 2030 mindestens halbieren. Das wirft auch ein Schlaglicht auf Deutschland, wo der Pestizideinsatz im EU-Vergleich besonders hoch ist. Auch Glyphosat ist hierzulande – anders als in Luxemburg – noch nicht vom Acker. Für die Aurelia Stiftung bedeutet das 2023: Wir klagen gegen Glyphosat! Natürlich sind wir auch bei der „Wir haben es satt“-Demonstration am 21. Januar ab 12 Uhr vor dem Brandenburger Tor mit dabei. Am Ende des Artikels erfahren Sie, wo genau Imker*innen- und Bienenfreund*innen sich treffen.
Im EU-Vergleich werden in Deutschland besonders viele Herbizide gespritzt. Darauf verwies kürzlich auch der Leiter des Fachgebiets Pflanzenschutzmittel im Umweltbundesamt (UBA), Jörn Wogram. Man sehe hierzulande leider „keinen eindeutigen Abwärtstrend“, sagte er gegenüber der Tagesschau. In Dänemark seien Maßnahmen wie eine Pestizidsteuer für eine Reduktion von Pestiziden ergriffen worden. Mit dem eingenommenen Geld werde landwirtschaftliche Beratung geleistet. Das scheint zu wirken. In Dänemark geht die Verwendung von Pestiziden tatsächlich zurück.
Der UBA-Experte verwies auch auf den extremen Insekten-Schwund. Heute gebe es in Deutschland nur noch zehn Prozent der Schwebfliegen, die noch in den frühen 1980er Jahren zu beobachten waren. Dabei sind Schwebfliegen als Blattlaus-Vertilger wichtige landwirtschaftliche Helfer. Ein anderes Beispiel ist das Ackerstiefmütterchen (Viola arvensis), das durch Glyphosat vernichtet wird, obwohl es gar nicht mit den Getreidepflanzen auf den Feldern konkurriert. Insekten wie der Kleine Perlmuttfalter (Issoria lathonia) sind jedoch von der Pflanze abhängig.
Die Vernichtung der Insekten wirkt sich wiederum auf andere Tiere wie Vögel aus, die sich von ihnen ernähren. Das Rebhuhn (Perdix perdix) ist mittlerweile lokal bereits ausgestorben. Auch andere Vögel der Agrarlandschaft wie die Feldlerche (Alauda arvensis) gelten als stark bedroht. Der Schwund dieser Arten ist eine direkte Folge der naturfeindlichen Landwirtschaftspolitik in Deutschland.
Zugelassene Pflanzenschutzmittel wirkten sich stark auf die Umwelt aus, sagte der Fachmann vom Umweltbundesamt der Tagesschau: „Das gilt eigentlich für fast alle Produkte.“
„Super-Unkräuter“ und leere Gentech-Versprechen
Besonders gefährlich ist das Total-Herbizid Glyphosat, dessen Zulassung die EU-Kommission bis Ende 2023 verlängert hat . Das Gift tötet alle Pflanzen, bis auf gentechnisch veränderte Nutzpflanzen. Allerdings haben mittlerweile . Als „Super-Unkräuter“ überwuchern sie Felder, sind eine Gefahr für die biologische Vielfalt und können die Erträge um die Hälfte einbrechen lassen. Kurzum: Die Versprechen der Gentechnik-Lobby haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Der Pestizideinsatz ist durch Agro-Gentechnik dramatisch gestiegen. Agro-Gentechnik ist also keine Lösung, um das Artensterben und den Hunger auf der Welt zu bekämpfen. Dafür bräuchte es den Umstieg auf eine pestizidfreie klimaresiliente Landwirtschaft mit weniger klimaschädlichen Emissionen. Keinesfalls dürfen jedoch Gentechnik-Pflanzen ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung auf Äcker und Teller gelangen, wie es die EU-Kommission plant.
Als erstes Land in der EU hat Luxemburg Glyphosat verboten. Jedoch hat das Verwaltungsgericht das Gesetz dazu als nicht rechtmäßig beurteilt – der Hersteller Bayer hatte gegen das Verbot geklagt. Das Verfahren läuft noch, weil der Staat in Berufung ging. Der Fall zeigt, wie erbittert in der EU zurzeit um das Glyphosat-Verbot gestritten wird. Bayer argumentiert unter anderem, dass Luxemburg nicht als einzelner Staat das Mittel verbieten könne, sondern dass dies auf EU-Ebene geschehen müsse. Das ist bizarr! Aus Sicht der Aurelia Stiftung und offenbar auch der Regierung in Luxemburg, ist ein einzelstaatliches Vorgehen durchaus juristisch korrekt. Es benötigt nur den politischen Willen. Bis der Fall entschieden ist, bleibt Glyphosat in Luxemburg weiterhin verboten. Der Staat hat einen Stufenplan erarbeitet. Dieser sieht vor, Landwirt*innen und Winzer*innen bei der Ökologisierung ihrer Bewirtschaftung finanziell zu unterstützen und beratend zur Seite zu stehen. Luxemburg zeigt: Es geht auch ohne Glyphosat!
Wir klagen, denn Glyphosat muss endlich vom Acker!
In Deutschland werden jedes Jahr circa 4.000 Tonnen Glyphosat versprüht – etwa ein Zehntel der insgesamt hierzulande abgesetzten Pestizidwirkstoffe. Glyphosat ist mittlerweile nahezu überall: In unserem Essen, in unseren Körpern und auch im Honig. Erinnern Sie sich? Vor einigen Monaten hat die Aurelia Stiftung mit der Imkerei Seusing ein wegweisendes Musterurteil erstritten . Bisher blieben Imker*innen auf dem Schaden sitzen, wenn ihr Honig durch Glyphosat belastet wurde. Aber nun wurde zum ersten Mal Schadensersatz für eine derartige Verunreinigung von Honig gezahlt.
Damit ist das Problem allerdings nicht grundsätzlich gelöst. Denn jedes Jahr verlängert die EU-Kommission die Zulassung dutzender Pestizid-Wirkstoffe, obwohl die erforderliche Aktualisierung der Sicherheitsprüfung nicht erfolgte oder nicht abgeschlossen wurde – wie kürzlich bei Glyphosat. Schon 2016 hat die Aurelia Stiftung von der EU-Kommission verlangt, Honig gegen die Verunreinigung durch Glyphosat zu schützen. Die Antwort der EU-Kommission: Es sei Aufgabe der Imkernden den Standort zu wechseln, wenn der Verdacht bestehe, dass der Honig durch Pestizide belastet wird. Ein solches verdrehtes Rechtsverständnis fordert uns heraus. Das für Bienen und Biodiversität schädliche Glyphosat muss endlich vom Acker!
Daher klagt die Aurelia Stiftung dieses Jahr gegen die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung und Sie können uns mit einer Spende helfen.
JETZT SPENDENWir treffen uns auf der Straße: „Wir haben es satt!“
Wir sind entschlossen, weiter auch mit rechtlichen Mitteln für den Schutz von Wild- und Honigbienen einzustehen! Die bisherigen Verlängerungen und die zu erwartenden Neuzulassungen von Pestiziden verstoßen gegen das europäische Vorsorgeprinzip. Es ist aber die Pflicht der EU-Kommission, diesem weltweit vorbildlichen Grundsatz gerecht zu werden. Deshalb werden wir die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat vor dem Europäischen Gericht angreifen. Die hervorragenden Fachanwälte von der Kanzlei GGSC, von deren Expertise Sie sich in diesem aktuellen Video-Gespräch über „Glyphosat im Honig“ überzeugen können, vertreten uns dabei.
Zugleich bleibt es unerlässlich, für unser Anliegen auch auf die Straße zu gehen und unsere Stimme zu erheben. Am Samstag, dem 21. Januar 2023, trifft sich das Team der Aurelia Stiftung daher ab 12 Uhr am Brandenburger Tor zur „Wir haben es satt“-Demonstration. Bienenfreund*innen und Imker*innen laden wir ein zu kommen. Es werden auch noch helfende Hände gesucht! Hilfe wird zum Beispiel noch bei der Essensausgabe auf der Demo gebraucht und auch schon am Freitagabend, 20. Januar, bei der Schnippeldisco. Wer helfen möchte, kann sich hier online beim Demobündis anmelden.
Weitere Informationen zum Ablauf sowie unsere gemeinsamen Forderungen können Sie auf der Webseite der Demo-Bündnisse nachlesen, dem rund 60 Organisationen aus Landwirtschaft und Gesellschaft angehören.
Setzen Sie sich mit uns gemeinsam für die konsequente Bekämpfung der Klimakrise, die Sicherung der Artenvielfalt, die artgerechte Haltung von Tieren, den Stopp von Agro-Gentechnik und die Beendigung des globalen Hungers ein!
Wir freuen uns auf Sie!
Zum Weiterlesen:
„Deutschland spritzt noch immer zu viel“, Tagesschau.de vom 30.12.2022
https://www.tagesschau.de/wissen/gesundheit/pestizide-umwelt-eu-glyphosat-101.html
„Luxemburgs Glyphosat-Verbot bleibt vorerst in Kraft“, L’essentiel vom 5.1.2023
https://www.lessentiel.lu/de/story/luxemburgs-glyphosat-verbot-bleibt-vorerst-in-kraft-811946889900
Webseite der Demo-Bündnisses „Wir haben es satt“ mit unseren Forderungen:
Zum Anschauen:
Video-Fachgespräch mit unseren Anwälten von der Kanzlei GGSC über „Glyphosat im Honig“ vom 6.12.2022