Knapp neun Monate nach dem Start haben die Initiatoren der Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern!“ 73.052 Unterschriften an den brandenburgischen Landtag überreicht. Die Vizepräsidentin des Landtags Barbara Richstein nahm die 42 Aktenordner am heutigen Montag entgegen. Die Initiative startete am 15. April 2019. Es mussten für ein gültiges Einreichen mindestens 20.000 Unterschriften innerhalb eines Jahres gesammelt werden.
Die Vertreter*innen der Volksinitiative zeigten sich vom Erfolg höchst erfreut. Für Friedhelm Schmitz-Jersch, den Vorsitzenden des NABU Brandenburg, steht fest, dass die Brandenburger*innen jetzt eine andere Landwirtschaftspolitik erwarten: „Wir sind überwältigt von dem großen Zuspruch, den unsere Volksinitiative in der Bevölkerung gefunden hat. Wir konnten fast viermal so viele Unterschriften einreichen wie benötigt werden. Das ist ein ganz starkes Signal an den Landtag und die Landesregierung. Die Bürgerinnen und Bürger wollen politische Veränderungen, um das Artensterben in unserem Land aufzuhalten. Wir brauchen jetzt eine glaubwürdige Wende hin zu einer naturverträglichen Landwirtschaft. Wir fordern deshalb, dass der Landtag unseren Gesetzesentwurf annimmt.“
Die Initiatoren betonten, dass es sich keineswegs um eine Initiative allein der Naturschutzverbände handelt. Es seien auch zahlreiche Landnutzerverbände im Träger- und Unterstützerkreis, so zum Beispiel die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL), der Landesimkerverband, der Berufs- und Erwerbsimkerbund und die Bio-Anbauverbände Biopark sowie Bioland Ost und Demeter Ost.
Auch sind mehrere der zehn offiziellen Vertreter*innen und Stellvertreter*innen selbst Landwirte. So auch Wilhelm Schäkel, Mitglied im Vorstand des BUND Brandenburg und Bio-Landwirt: „Wir wehren uns gegen den Eindruck‚ ‚die Landwirte’ seien insgesamt gegen mehr Artenschutz. Auf viele trifft das nicht zu. Als Landwirt sehe ich, was die Natur braucht: eine vielfältige Fruchtfolge und Strukturelemente in der Landschaft. Dieses Konzept setze ich in meinem Betrieb Schritt für Schritt um. Dadurch entstehen ein lebendiger Boden und eine beachtliche Artenvielfalt. Aber natürlich müssen diese Maßnahmen auch finanziell ermöglicht werden. Deswegen bezieht sich ein großer Teil unserer Gesetzesvorschläge auf veränderte Rahmenbedingungen bei der Verteilung von Agrar-Fördermitteln.“
Johann Lütke Schwienhorst, Agrar-Referent bei der Aurelia-Stiftung und Imker, erklärt: „Kernforderungen der Volksinitiative sind verbindliche Schutzstreifen an Gewässern und das Pestizidverbot in Naturschutzgebieten. Wie wir beim Sammeln der Unterschriften festgestellt haben, konnten viele Bürgerinnen und Bürger gar nicht glauben, dass in Naturschutzgebieten überhaupt Pestizide eingesetzt werden dürfen. Selbst der wissenschaftliche Beirat beim Bundeslandwirtschaftsministerium hat deutlich gemacht, dass die Hauptursachen für das Artensterben starker Pestizid- und Düngemitteleinsatz sowie die eintönige und gleichförmige Art der Landnutzung sind. Diese Ursachen müssen wir angehen.“
Die VI-Vertreterin und Bio-Landwirtin Anja Hradetzky ergänzt: „Wir arbeiten ausschließlich in einem Naturschutzgebiet, in dem wir gänzlich ohne Pflanzenschutzmittel wirtschaften. Alle Bauern hier haben einen guten Weg dafür gefunden, viele stellen auf Bio um. Klare Regeln helfen uns. Ich glaube, dass Schutzgebiete ihren Zweck nur erfüllen können, wenn ein genereller Verzicht auf Pestizide gewährleistet ist. Schließlich handelt es sich hier um die wertvollsten Biotope im Land. Dass dort einfach weiter gespritzt werden kann, ist in Zeiten des aktuellen Artensterbens einfach nicht zu verantworten und auch nicht zu erklären.“
Der Landtag hat nun vier Monate Zeit, um über Annahme oder Ablehnung der Volksinitiative zu entscheiden. Er kann auch einen Vermittlungsvorschlag vorlegen, dem die Vertreter*innen der Volksinitiative dann zustimmen können. Kommt es zu keiner Verständigung, beabsichtigen die Vertreter*innen der Volksinitiative das Volksbegehren einzuleiten.